Der Österreichische PEN Club schließt sich den internationalen Protesten an, und fordert die sofortige Freilassung von Assange

Das Schicksal Julian Assanges ist ein Vexierbild der politischen Verhältnisse. Nach zehnjähriger Internierung ein Schatten seiner selbst, wurde der investigative Journalist zum Symbol der Unterdrückung der Pressefreiheit und zum Opfer eines Justizsystems, hinter dessen Rechtsspruch der politische Wille der Kriegsherren des Irakkriegs steht. Die Justiz ein Handlanger, europäische Staaten als Komplizen gegen Menschenrechte. Die deutliche Stimme des UN-Sonderberichterstatters für Folter, Nils Melzer, erfährt hier keinerlei Resonanz. „Im Laufe der letzten Jahre war Herr Assange hartnäckigem, fortschreitendem Missbrauch ausgesetzt, der von systematischer gerichtlicher Verfolgung und willkürlicher Inhaftierung in der ecuadorianischen Botschaft über seine repressive Isolation, Belästigung und Überwachung innerhalb der Botschaft bis hin zu vorsätzlicher kollektiver Verhöhnung, Beleidigung und Demütigung, offener Anstiftung zur Gewalt und sogar wiederholten Aufrufen zu seiner Ermordung reichte“, so Melzer. Für Menschenrechtsorganisationen und Journalistenverbände ist klar, Assange ist ein politischer Gefangener, an dem ein Exempel statuiert werden soll. Der Deutsche Journalisten-Verband konstatiert zweierlei Maß, denn, „wer wie der US-Präsident russische Kriegsverbrechen in der Ukraine anprangere, dürfe nicht mit äußerster juristischer Härte gegen den Aufklärer amerikanischer Kriegsverbrechen vorgehen.“ Dem Wikileaks-Gründer Assange wird Beihilfe zum Landesverrat durch Veröffentlichungen vorgeworfen, in den Vereinigten Staaten wird er wegen Spionage, Verschwörung und der Veröffentlichung geheimer Dokumente angeklagt. Die „Spionagegesetze“ sind ein elementarer Angriff auf die Pressefreiheit, auf Journalist:innen, Autor:innen und Verleger:innen, da die Anklage schon den Besitz von Geheimdienstmaterial – journalistische Arbeit – kriminalisiert.

Wie Staaten zur Abschreckung gegen potenzielle „Verräter“ mit Hilfe der Justizapparate vorgehen, ist seit der Affäre Dreyfuß hinlänglich bekannt. Bis heute sind der Aufzählung solcher Fehlurteile unzählige Namen hinzuzufügen. Wer über Kriegsverbrechen und Korruption berichtet, läuft Gefahr, seine Freiheit und sein Leben zu verlieren. Das Schicksal von Assange ist ein Symptom des Verfalls der europäischen Demokratien, wie exemplarisch an der britischen Innenministerin Priti Patel, die den Auslieferungsbescheid bereitwillig ausstellte, zu verdeutlichen ist. Sie ist Mitglied einer Regierung, die die freie Presse attackiert, und Lügen des Premiers politisches Alltagsgeschäft sind. Patel selbst war Befürworterin der Todesstrafe, stimmte gegen die Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe, verhöhnte die Niederkniezeremonien von Black Lives Matter, befürwortete ein Polizeigesetz, das Demonstrant:innen mit langjährigen Haftstrafen bedroht, beschloss Verschärfungen des Ausländerrechts und lebenslange Haftstrafen für Schleuser. Man könnte sagen, sie vertritt das volle Programm eines illiberalen Staates. Patel entschied letzte Woche über das vorläufige Schicksal von Assange.

Julian Assange wird weiter um seine Freiheit kämpfen. Es bleiben wenige Tage für einen Einspruch gegen seine Auslieferung vor dem High Court, sollte er damit scheitern, steht ihm der Gang zum Supreme Court Großbritanniens offen. Das Rechtssystem funktioniert bis zuletzt.

PS. Heute feiert Edward Snowden seinen 39. Geburtstag in Moskau. 2015 empfahl das Europäische Parlament den Mitgliedstaaten, alle Vorwürfe gegen Snowden fallen zu lassen und ihm Schutz zu gewähren. Vergeblich.

Marion Wisinger, Writers-in-Prison-Komitee, Juni 2022

Appell für die Freilassung von Julian Assange